****** Opeth 2008 - langsam kann dieses Band einem wirklich unheimlich werden. "Watershed" - mein Fast-Namensvetter, jaja ;) - ist das nunmehr bereits neunte Studioalbum der Schweden um Mikael Åkerfeldt und zum neunten Mal erscheinen Lobeshymnen als die einzig angebrachte Reaktion. Dabei waren die Vorzeichen alles andere als gut. Der Vorgänger "Ghost Reveries" hatte der Band den längst verdienten kommerziellen Durchbruch beschert, doch zeigten sich während der Arbeit an diesem Album erste Risse im lange Zeit stabilen Bandgefüge, die schließlich zum Ausstieg von Drummer Martin Lopez führten. Nach den ausgedehnten Tourneen zum Album sah auch Gitarrist Peter Lindgren keine Zukunft mehr für sich in einer Band, die plötzlich weltweit für Aufmerksamkeit sorgte und sich zwangsläufig auch mehr mit den unternehmerischen Aspekten des Musikerlebens konfrontiert sah.<br><br>Zunehmende Präsenz in Mainstream-Medien, ein Label, das hohe finanzielle Erwartungen an die Band hat, acht geniale Vorgängeralben als Rucksack und zwei neue Bandmitglieder (ex-Arch Enemy-Gitarrist Fredrik Åkesson und Schlagzeuger Martin Axenrot) im Lineup: viel konnte schief gehen und angesichts der beschriebenen Entwicklungen hätte der Titel des Albums, zu deutsch "Wendepunkt", nicht besser gewählt sein können.<br><br>Doch Mikael Åkerfeldt hat den richtigen Abzweig gewählt: "Watershed" ist ein herrlich unkommerzielles, jegliche Genregrenzen einreißendes Album geworden, das den Hörer vor Herausforderungen stellt und ihn schließlich reich belohnt. Opeth haben sich noch nie um Konventionen geschert und sie fangen 2008 auch nicht damit an. "Coil" ist denn auch gleich mal ein ganz ungewöhnlicher Album-Opener. Rein akustische Songs gab es bei Opeth zwar schon zuvor, aber man kann förmlich das dreckige Grinsen von Mikael sehen, wenn die nach Breaks und Taktwechseln hungernden Opeth-Fans erst einmal mit einem dreiminütigen, aufs Wesentliche reduzierten und zur Hälfte von Folksängerin Nathalie Lorichs gesungenen Song konfrontiert werden, der freilich ganz zauberhaft geraten ist.<br><br>Umso bedrohlicher klingen dann die ersten Takte von "Heir Apparent", einem Song ganz ohne Clean Vocals und - zum ersten Mal in der Opeth-Geschichte - Blastbeats! Jawohl! Und diese stehen der Band ganz hervorragend zu Gesicht, werden allerdings sparsam eingesetzt und bei "The Lotus Eater" sehr effektvoll mit Mikaels cleaner Stimme kombiniert. Beim wiederholten Hören von "Watershed" gewinnt man den Eindruck, dass die Band die musikalischen Extreme noch tiefer auslotet als zuvor - in den harten Passagen brutal wie nie, in den ruhigen Abschnitten wie beim wunderschönen "Burden" die Sanftmut des "Damnation"-Albums beschwörend. Netter Einfall übrigens bei letztgenanntem Song mal eben gegen Ende während des Spielens die Gitarren runterzustimmen! Auch das bereits vom Videoclip her bekannte "Porcelain Heart" und der Abschluss "Hex Omega" zeugen von der längst perfektionierten Fähigkeit der Band, Songs voller dynamischer Sprünge und Stilwechsel zu schreiben ohne dabei den Faden zu verlieren. Beim längsten Song des Albums "Hessian Peel" wird ausnahmsweise die Option einer akustischen Zweiteilung gewählt, das Ergebnis klingt aber nicht minder grandios.<br><br>Vielleicht ist es der Einfluss der neuen Bandmitglieder, vielleicht Mikaels Beschäftigung mit psychedelischen Alben der 60er und 70er Jahre als Inspirationsquelle, vielleicht eine logische Weiterentwicklung des Bandsounds, womöglich alles davon: aber "Watershed" klingt sowohl nach Opeth und dann auch wieder deutlich anders als alle seine Vorgänger. Dass dies der Band in ihrer Karriere bereits des öfteren gelungen ist, macht es nach fast 15 Jahren nur beeindruckender.<br><br>"Watershed" macht deutlich, dass von Opeth noch jede Menge zu erwarten sein wird. Mikael Åkerfeldt scheint die Veränderungen innerhalb der Band in den letzten Jahren als Chance begriffen zu haben, noch mehr zu riskieren als er das mit Opeth zuvor sowieso schon getan hat. Das Risiko hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht. Denn nach 55 Minuten hinterlassen Opeth einen zunächst verstörten Hörer. Der sich aber wieder und wieder von diesem Album gefangen nehmen lässt. Bis die Erkenntnis reift, dass "Watershed" nicht nur für die Diskographie der Schweden einen neuen Meilenstein gesetzt hat. Ein absolutes Meisterwerk, ein Album des Jahres!<br> |