****** Die Rockmusik des Jahres 1977 stand ganz im Zeichen von Punk, dessen unmittelbaren Nachfolger New Wave und dem aufkommenden Discosound. Musiker und Gruppen, die konventionellen Rock spielten, hatten es zumindestens in England und Europa schwer, mit ihrer Musik ein großes Publikum zu erreichen. Lediglich Gruppen wie Status Quo, Thin Lizzy und Queen konnten nach wie vor mit ihrer Musik große Erfolge erzielen. Unbeeindruckt von Trends zog David Bowie sein Ding durch und er war erfolgreich wie eh und je. Mit seinem im Frühjahr 1977 veröffentlichten Album Low legte er sein bisher schrägstes Werk vor. Um es vorweg zu nehmen, Low klingt über weite Strecken wie eine Vorlage für die Musik diverser New Wave Bands, zumindestens was die erste Seite betrifft. Wenn man sich einmal Stücke wie Speed Of Life, Breaking Glass, What In The World, Always Crashing In The Same Car, Be My Wife, A New Career In A New Town genauer anhört, dann weiß man, woher viele New Wave Bands ihre Vorlagen bezogen haben. Einzig das federnde, über weite Strecken instrumentale Sound And Vision klingt ziemlich eingängig. Mitte 1977 war dieses unglaubliche mitreißende Stück ein internationaler Tophit (u.a. sein erster und einziger Top 10 Hit in Deutschland). Völlig anders klingt Seite 2. Hier widmet sich Bowie in vier langen Stücken in breiten Instrumentalsätzen elektronischen Klängen zu. Hier ist deutlich der Einfluß von Brian Eno erkennbar. Die vier Stücke Warszawa, Art Decade, Weeping Wall und Subterraneans haben mit herkömmlicher Rockmusik nicht viel gemeinsam, sind sie vielmehr zeitgenössische Musik. Aber auch hier zeigt sich David Bowie als seiner Zeit weit voraus und schuf eine musikalische Vorlage für The Tubeway Army bzw. Gary Numan, OMD oder Ultravox (obwohl diese fantastische Gruppe zur gleichen Zeit mit ihrem Debütalbum an den Start ging). Streckenweise wirkt die fantastische Musik dieser vier Stücke wie eine intellektuelle Ausgabe der Musik von Mike Oldfield (und die war in den 70er Jahren auch klasse!). Selbst ein so außergewöhnlicher Musiker wie Peter Gabriel hat nichts vergleichbares geschaffen, wie Bowie mit den 4 Stücken auf Seite 2 von Low. Kurzum, Low ist ein fantastisches Album mit ganz großen Momenten auf Seite 2, von denen es in den 70er Jahren nicht viel Vergleichbares gab. Wer die Quellen des New Wave der späten 70er Jahres und die des Elektropops der frühen 80er Jahre einmal kosten möchte, der kommt an diesem grandiosen Werk nicht vorbei. |